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Die ewige Schuldfrage

Nehmen wir an, Sie kommen abends nach Hause. In Ihrer Wohnung herrscht absolutes Chaos, die Leiche der Großmutter liegt im Hausflur, und der Täter, Ihr aggressiver Nachbar, sitzt im Wohnzimmersessel. Der Täter macht keinen Hehl daraus, dass er als nächstes Sie umbringen werde, schließlich müsse Ihr Haus „entnazifiziert“ werden. Es gibt keine Polizei, weil man es seit Jahren ablehnt, Ihnen Schutz zu gewähren. Vor Ihrer Haustüre stehen vier Personen. Olaf Scholz, der in Schachtelsätzen erklärt, wie furchtbar das alles ist, und dass er in den kommenden Monaten gründlich abwägen wird, wie er Sie unterstützt. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Ihnen eine Pistole anbietet. Und Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer, die Ihnen erklären, Sie müssen mit dem Täter verhandeln, ihn dazu bringen, dass Ihre Familie ab jetzt gemeinsam mit ihm unter einem Dach leben müsse, denn Gewalt gehe gar nicht. Sie müssten ihm doch einfach vertrauen, dass er niemanden mehr umbringt. Wie würden Sie handeln? So geht es im Augenblick den Menschen in der Ukraine. Ich kann es nicht mehr hören, wenn in Deutschland immer wieder Verständnis für Wladimir Putin geäußert wird, und völlig dümmliche Sprüche kommen wie „Am Krieg sind immer beide Schuld“. Das war 1939 schon falsch, und auch heute ist es falsch. Putins Propaganda wirkt, und sie wirkt bis in den Deutschen Bundestag. Die Enden des Hufeisens, linke und rechte Extremisten, sitzen im Parlament und singen gemeinsam im Chor die Lieder aus Radio Moskau. Sie demonstrieren jetzt schon gemeinsam in Berlin. Man fragt sich besorgt: Habt ihr denn alle nichts aus der Geschichte gelernt? Ich war in der vergangenen Woche in der Ukraine, um mir ein eigenes Bild zu machen. Ich habe die vielen zerschossenen Autos der einfachen Leute gesehen, die von den Russen als Zielscheiben verwendet wurden. Ich habe die Häuser gesehen, ganze Wohnblocks, die mit Raketen und Panzern zerbombt worden sind. Ich habe die Tapferkeit und den Mut der Ukrainer erlebt, die nicht nur um ihr eigenes Leben kämpfen, sondern auch um ihre Freiheit und Demokratie. Die uns West-Europäern den Aggressor aus dem Osten vom Hals halten, so lange sie noch können. Deren einzige „Schuld“ darin besteht, dass sie sich demokratisch dafür entschieden haben, gemeinsam den Weg in die freie Welt gehen zu wollen, in die Europäische Union und in die NATO. Denen man beides immer wieder versagt hat. Und die trotzdem weiter für Ihren Traum kämpfen. Seit einem Jahr verteidigen sich die Ukrainer, und niemand weiß, wie lange dieser furchtbare Krieg noch dauern wird. Aber ich bin der festen Überzeugung: dauerhaften und stabilen Frieden wird es nur geben, wenn die Ukrainer den Angreifern die Stirn bieten können, wenn sie die Russen an den Verhandlungstisch zurück zwingen können. Ein Friedensvertrag, der Putin nicht mit Gebietsgewinnen dafür belohnen darf, dass er schon wieder zu den Waffen gegriffen hat. Dafür braucht die Ukraine weiterhin unsere Unterstützung: humanitär, finanziell, aber auch Waffen zu ihrer Verteidigung. Ich bin mehr denn je davon überzeugt, und mit mir die Liberalen Mitstreiter, dass wir der Ukraine weiterhin helfen müssen.