Die Brücke

Eine Stahlbogenbrücke über den Landweg

So etwas als ein „großtechnisches Meisterstück“ ist nicht alle Tage zu sehen. In Niedernhausen war das am vergangenen Samstag sehr wohl der Fall. Die bautechnischen Vorbereitungen an der ehemaligen Überführung „Wiesbadener Straße“ waren rechtzeitig fertig, um eine komplett zusammengesetzte Brücke zum sogenannten „Verschub“ anzunehmen. Diese wurde – auch termingerecht – auf dem ehemaligen Parkplatz, oberhalb der Einmündung der Straße  „Schöne Aussicht“, aus Stahl zur Montage millimetergenau von einem Stahlwerk in Magdeburg gefertigt –  vor Ort zusammengesetzt und verschweißt. Und der Koloss sollte nun auf der Landestraße 3027, eben der Wiesbadner Straße, seinen Weg zum Endpunkt des Vorschubes an der Baustelle nehmen. Die Gründe für diese Vorgehensweise liegen auch in der Überquerung der Bahngeleise, die sonst bei konventioneller Bauweise hätten gesperrt werden müssen. Über 2 Jahre vor dem Termin in dieser Woche hatte Hessen Mobil bei der DB den Brückenvorschub für Ende dieser Woche – vom Freitag, 7. Juli 22.00 Uhr bis Montag, 10. Juli früh 5.00 Uhr – angemeldet. In dieser Zeit wird der gesamte Zugverkehr gestoppt.

Nun zum Transport eines Monstrums von 75 Meter Länge und 600 Tonnen Gewicht – vom Montageplatz über eine Strecke von knapp 500 Metern und 28 Meter Höhenunterschied abwärts. Zunächst mal musste die Stahlkonstruktion auf einen Schwerlastwagen mit 16 einzeln steuerbaren Achsen und 65 Reifen gehoben werden. Hydraulisch mit Unterlegholz ging es Stück für Stück etwa 4 Meter in die Höhe, bis sich der Self-Propelled Modular Transporter (SPMT) – so der Name des Schwerlastwagens – darunter schieben konnte. Mit 2 x 600 PS, 3-fach gekoppelt und komplett über eine Konsole ferngesteuert. Übrigens ein Schwertransport mit internationaler Beteiligung – eine österreichische Transportfirma, einer holländischen  Steuerung und deutscher Koordination. 

Sicherungsdienst, Ordnungspolizei und Vertreter der Feuerwehr stellten sicher, dass der Weg frei war und niemand zu Schaden kam. Per Hubwagen wurden mit der Kettensäge über die Straße ragende Äste beseitigt – kleinere einfach gestreift oder gebrochen. Viele interessierte Bürger und Bürgerinnen hatten sich schon frühmorgens eingefunden, um hinter der Absperrung das Spektakel zu beobachten. Einige waren mit eigenem Stühlchen und Frühstückskorb gekommen. Langsam, ja behutsam rangierte sich dann kurz nach 7 Uhr der Transportwurm aus der Parkbucht auf die Straße. Mit einer Geschwindigkeit weit geringer als Schlendern ging es dann abwärts Richtung Straßenübergang – in geschätzten 8 Stunden zum Fuß der Vorschubposition. Dort waren bereits Hilfsstützen vorbereitet, die als Hubbahn zum Verschub der Brücke über die Straßenlücke und der DB-Gleise dienten. Dieser Verschub wird ganz ohne Kräne nur mit Hilfsstützen und Gegengewichten geschehen, wie ein Mitarbeiter von Hessen Mobil betonte. Das wird ein weiteres ungewöhnliches Spektakel sein, das die Aufmerksamkeit nicht nur von Fachleuten, sondern auch von Funk, Fernsehen und Presse sowie natürlich der Bürger/innen von Niedernhausen weckt. Und sollten keine besondern Zwischenfälle zu einer Verzögerung eintreten, so plant Hessen Mobil die Freigabe der Brücke für Ende 2023.

Bürgermeister Joachim Reimann überzeugte sich in aller Frühe von den Arbeiten zum Schwertransport und sagte nach der erfolgreichen Ablegen der Stahlkonstruktion am Verschiebeort: „Großes Kompliment an die verantwortlichen Firmen, an die Planer, an HessenMobil und an alle Beteiligten. Der Transport der Brücke heute war wirklich faszinierend und lief vollkommen reibungslos ab. Das lag auch daran, dass die Niedernhausenerinnen und Niedernhausener zwar natürlich starkes Interesse zeigten, sich dabei aber auch höchst verantwortungsbewusst verhalten haben. Mein großer Dank gilt allen, die diesen Tag vorbereitet und den Transport durchgeführt haben und auch allen Einsatzkräften von Feuerwehr, Ordnungspolizei und Hessischer Polizei, die ehrenamtlich oder hauptamtlich für die Sicherheit der Menschen während des Transports gesorgt haben.“

Eberhard Heyne