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Entgegen aller Gerüchte ist die Berliner Ampel-Koalition durchaus in der Lage, wichtige Kompromisse zu finden. Ein ganz bedeutender ist in der vergangenen Woche gelungen: die Regelungen für die Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete ist gelungen. Alle wissen, dass sich in Deutschland eine professionelle Überweisungs-Wirtschaft gegründet hat, deren Business darin besteht, Geflüchtete zu animieren, Teile ihres hier erhaltenen Gelds an die Familie zuhause im Herkunftsland zu überweisen (siehe z.B. Werbe-Plakat auf dem Foto). Das ist gleich mehrfach kontraproduktiv: die Leistungen an die Flüchtlinge sind so berechnet, dass sie exakt zur Sicherstellung des Lebens ausreichen. Wird Geld in die Heimat überwiesen, dann fehlt es bei der Lebenshaltung, mit der Folge, dass zum Beispiel bei Nahrung oder Kleidung der Kinder gespart wird, was niemand wollen kann. Es ist aber auch genau der Sprengstoff, der rechte Parteien befeuert: wenn solche Unternehmen sich teure Werbe-Aktionen leisten können, dann muss das Ausmaß dieser Überweisungen offenbar ein lohnendes Geschäft sein, und die Populisten bauschen die Geschichte in ihren Social-Media-Blasen enorm auf. Genau das sind die Faktoren, die dafür sorgen, dass die AFD einen besorgniserregenden Zulauf bekommt. Die Bezahlkarte ist eine Lösung, die dafür sorgen kann, dass der Missbrauch der staatlichen Unterstützung gar nicht erst passieren kann. Durch das Design wie bei normalen Kreditkarten erfolgt keine Stigmatisierung der Nutzer, und die Behörden müssen darauf achten, dass es keine Einschränkungen beim Abruf der Leistungen für Geflüchtete gibt, welche der Staat bereit stellt. Mit der Gesetzes-Anpassung sorgen wir für Rechtssicherheit für die Bundesländer und Landratsämter, welche ausdrücklich um eine einheitliche Regelung gebeten haben.

Besorgniserregend war letzte Woche auch der Skandal auf der Berlinale, bei dem es erneut auf einer großen künstlerischen Veranstaltung zu antisemitischen Ausfällen kam. Wer gehofft hatte, nach den Skandalen auf der documenta oder den Ausschreitungen bei öffentlichen Lesungen wäre hier etwas mehr Feinsinn in der Gesellschaft entstanden, sah sich letzte Woche erneut enttäuscht. Bei mehreren Preisverleihungen wurde der Gaza-Krieg falsch und einseitig gewertet, und auf Plakaten für die Berlinale waren verbotene Hass-Sprüche zur Vernichtung Israels abgedruckt. Beim neuen Demokratiefördergesetz, welches noch immer in der Beratung steckt, verlangen wir Liberalen, dass staatliche Gelder für Vereine, für Kunst- und Kulturveranstaltungen zwingend an die klare vertragliche Absage an Antisemitismus gebunden sein müssen; leider sieht das in der Koalition noch nicht jeder so. Diese Selbstverständlichkeit verlangen wir in einem Land, in dem Juden immer öfter ihren Glauben vor der Öffentlichkeit verstecken müssen, um nicht angegriffen zu werden. Diese Bedingung ist das Mindeste, was nach den letzten Vorfällen abgesichert werden muss.

Und auch die Bundeswehr wird wieder von einem Skandal erschüttert. Es ist den Russen gelungen, Gespräche über brisante militärische Geheimnisse von Deutschen Offizieren abzuhören. Vermutlich erleben wir nur die Spitze des Eisbergs, und ausländische Geheimdienste haben noch viel bedeutsamere Informationen. Weil dieses eine Gespräch ganz gezielt von den Russen veröffentlicht wurde, müssen wir davon ausgehen, dass sie noch wesentlich mehr haben. Üblicherweise veröffentlicht niemand, was er erfolgreich abgehorcht hat, weil dann an der Quelle fieberhaft nach dem Schlupfloch gefahndet wird, und es geschlossen wird. Die Russen müssen sich schon sehr, sehr sicher sein, dass auch das künftige Schließen dieser Lücke ihren Informationsfluss nicht beeinträchtigen wird. Was mich besonders ärgert: ich kannte den ganzen Sachverhalt seit mehreren Monaten, aber wir Abgeordnete werden dafür stets in speziell gesicherte Räume eingeschlossen, wo keine elektronischen Geräte zugelassen sind, damit nichts nach außen dringen kann. Wir sind dann oft mehrere Stunden lang ‚offline‘. Angesichts dieser aufwendigen Sicherheitsvorkehrungen ist die Art, mit der die vier Offiziere hier hohe Risiken eingegangen sind, geradezu unglaublich leichtsinnig. Insbesondere ärgern sich nun die Briten und die Amerikaner, weil Deutsche jetzt herausgeplappert haben, was sie in der Ukraine heimlich machen. Das wird gewiss Sondersitzungen von Verteidigungs- und Kontrollausschuss mit bohrenden Fragen nach sich ziehen, weil wir Abgeordneten Aufklärung verlangen werden; und dies natürlich wieder ‚offline‘ unter der Einstufung geheim. Und dass die britischen und amerikanischen Nachrichtendienste, die uns oft extrem wertvolle Hinweise liefern, angesichts dieses Falles in den nächsten Monaten bereit sind, uns wie gewohnt zuzuarbeiten, das darf wohl auch bezweifelt werden.