Dankbarer Abschied

Nach knapp 12 Jahren wechselt Pfarrer Michael Koch in den Vogelsberg

[Niedernhausen / Idstein; 19.08.2021; cw] Nach knapp zwölf Jahren verlässt Pfarrer Michael Koch die Johanneskirchengemeinde in Niederseelbach und wechselt in den Vogelsberg, zurück in die Heimat seiner Familie. Am kommenden Sonntag (22.8.2021) wird Koch vom stellvertretenden Dekan Jürgen Noack um 14 Uhr in einem Open-Air Gottesdienst an der alten Linde vor der Johanneskirche verabschiedet.

Die Kartons sind längst ausgepackt, seine Familie wohnt schon im eigenen Haus in Homberg (Ohm). Nur Michael Koch sitzt noch im leeren und bereits renovierten Pfarrhaus in Niederseelbach. Ein paar Taufen und eine Trauung stehen noch an, Abschiedsbesuche, Gespräche und Einladungen zum Essen.

Dankbar blickt der 43-jährige auf seine Zeit in Niederseelbach, Dasbach, Oberseelbach und Engenhahn zurück. „Ich konnte mich hier voll ausprobieren. Das war genial!“, sagt Koch. „Ich konnte alles machen und die Gemeinde und der Kirchenvorstand haben alles mitgemacht.“ Keiner, der mit Bedenken neue Wege blockiert habe, im Gegenteil, in der Gemeinde habe es ein großes Vertrauen gegeben sowie den Willen mit anzupacken und zu helfen. Die Zeit hier habe ihm als Berufsanfänger geholfen ein eigenes Profil zu entwickeln. „Ich nehme viel Selbstbewusstsein mit“, sagt er dankbar.

Michael Koch erinnert sich an viele schöne Aktionen, Projekte und Angebote, die er – gemeinsam mit anderen –erlebt hat. Die Glaubenskurse seien dabei „das Schönste gewesen, was es gab“, gibt er unumwunden zu.

Intensive Gespräche mit Menschen

Jedes Jahr hat Koch „Kurse zum Glauben“ angeboten, auch in der Coronazeit. Dann beispielsweise zum Thema „Gott und das Böse“. Die zahlreichen intensiven Gespräche mit den Menschen haben ihn in seiner Zeit als Pfarrer am meisten beeindruckt und geprägt. „Zu den Glaubenskursen kamen auch etliche, die kurz vor dem Austritt aus der Kirche standen“, weiß er zu berichten. Die Kurse und Inhalte habe er in den letzten elf Jahren immer wieder angepasst. Es sollte möglichst authentisch sein, das war ihm wichtig. Genauso, wie das Ziel, den Menschen deutlich zu machen, dass zu einem christlichen Glauben der Zweifel dazugehöre.

Neue Gottesdienstformate für andere Zielgruppen entwickelt

Schon früh analysierte er mit dem Kirchenvorstand den Gottesdienstbesuch und suchte nach neuen Formaten, die für andere Zielgruppen geeigneter waren. „Für viele ist der traditionelle Gottesdienst heute wie für Luther damals die Lateinische Messe“, macht Koch ganz deutlich klar. Er sei oft unverständlich und lebensfremd. Mit Umfragen und Rüstzeiten bereitete sich die Gemeinde darauf vor, besser und lebensnaher für andere Menschen da zu sein.

So entstanden beispielsweise die KOMM Mit Gottesdienste im Gemeindehaus für junge Familien mit neuen Liedern, Interviewpartnern zu aktuellen Themen und einer „Warm-Up“ Phase. Er führte Laborgottesdienste ein, in denen „auch mal verrückte Sachen“ ausprobiert werden konnten. Dann seien auch andere Menschen gekommen. Für ihn selbst hatten diese Gottesdienste immer eine besondere Nähe. Unter anderem deshalb, weil er dann mal keinen Talar trug. „Gottesdienst ist ein dialogisches Geschehen auf Augenhöhe. Wir sind alle auf einer Ebene“, betont Michael Koch.

Man merkt dem passionierten Fischzüchter an, dass ihm die Bedürfnisse und Belange der Menschen sehr am Herzen liegen. „Wie kann Kirche hier an diesem Ort für die Menschen da sein? Wo brauchen die Menschen hier das Evangelium? Das waren die beständigen Fragen, die sich der Pfarrer gemeinsam mit dem Kirchenvorstand stellte.

Die Antwort falle von Region zu Region unterschiedlich aus und deshalb müssten „nicht alle Kirchengemeinden alles machen“, ist er überzeugt. „Vor allem müssen wir zu den Menschen die einsam sind.“

Auch zu Zeiten von Corona schaute Koch genau hin, was die Menschen brauchen und bot als erster in der Region Zoomgottesdienste an, entwickelte neue Formate wie Krippenspaziergänge, Andacht am Gartenzaun, Podcasts und etliches mehr.

„Wir müssen unsere Richtung ändern, müssen vielleicht viel mehr dahin, wo die Leute sind und nicht ständig traurig sein, dass die Leite nicht dahin kommen, wo wir sind“, sagt er nachdenklich.

In seiner Zeit wurde die Kinder- und Jugendarbeit stark ausgebaut. Der gelernte Fundraising-Manager hob zusammen mit Holger Cloß unter anderem den Förderkreis KiJuNi aus der Taufe und organisierte zahlreiche Spendenaktionen, wie die berühmten Benefizessen, zu denen er Theaterstücke mit Lokalkolorit schrieb. In seiner Zeit fusionierten die beiden Kirchengemeinden Dasbach und Niederseelbach zur Johanneskirchengemeinde Niederseelbach. Auch die Planungen für den Neubau eines Gemeindezentrums seien so weit vorangeschritten, dass jetzt „nur noch gebaut werden muss“, sagt er schmunzelnd.

Teil der Dorfgemeinschaft

Ein Teil der Dorfgemeinschaft zu sein, das war Michael Koch wichtig. Die Kirchengemeinde kooperierte eng mit Vereinen, der Feuerwehr und anderen Gruppen in den Dörfern. Gottesdienste zum Feuerwerfest oder dem Backes- und Brunnenfest waren eine Selbstverständlichkeit. Er organisierte zusammen mit Kollegen regionale Tauffest und die Nacht der Kirchen und engagierte sich im Dekanatssynodalvorstand. Er pilgerte, mal alleine, mal mit anderen, vor allem um Gott zu begegnen. „Gott begegnet man am besten auf der Grenze“, sagt der Theologe Paul Tillich. Davon ist auch Michael Koch überzeugt.

„Ich habe in den letzten 12 Jahren alles gegeben, und bin sehr dankbar für das Erlebte“, freut sich Koch. Jetzt sei aber die Zeit für einen Wechsel und neue Herausforderungen gekommen. „Eine Weiterentwicklung geht nur, wenn man sich umorientiert“, so der Familienvater von zwei Söhnen.

In den Pfarrei Deckenbach ist er für insgesamt vier Kirchengemeinden zuständig, darunter auch für die Stadt Homberg (Ohm), dort hat er eine halbe Stelle. Er arbeitet dann mit vier Kirchenvorständen und freue sich auf die Teamarbeit mit den hauptamtlichen Kollegen in der Region.