Neues aus dem Gewerbe

Was passiert bei Vino della casa

Haiko: Michael, Du betreibst Vino della casa seit fast zehn Jahren. Nun schließt ihr zum Jahresende. Ist das das Ende des Weinladens?

Michael: Ja und nein. Es ist das Ende von Namen und Ladengeschäft – zumindest, wie viele es kennen. Unsere Herausforderung war ein Konzept, das sowohl unser Hauptgeschäft als auch den hiesigen Standort beinhaltet.

Haiko: Und warum nicht unter „Vino della casa“?

Mareike: Wir haben uns die letzten Jahre verändert und entwickelt. Am Namen wird dies deutlich: Michael hat ihn mit dem Laden übernommen, doch wir sind heute weder eine klassische Weinhandlung, noch führen wir nur italienische Weine. Der Name stellt nicht dar, was wir täglich tun.

Lea: Und die Marke Kiez & Ko ist dort etabliert, wo wir mittlerweile in erster Linie tätig sind. Von daher konsequent, diese Marke auch in Niedernhausen zu nutzen und zu zeigen, wer wir sind.

Haiko: Was ist Eure Haupttätigkeit?

Michael: Wir sind überwiegend im Firmenkundenbereich tätig. Wir sagen gerne „Botschafter für nachhaltigen Genuss“. Mit zurzeit acht Personen moderieren wir, führen Teamevents, Workshops und Schulungen durch. Wir arbeiten mit Bildungsträgern und Schulen, Firmen im In- und Ausland.

Haiko: Wer zählt zu Euren Kunden?

Mareike: Das ist bunt gemischt mit Schwerpunkt bei Finanz- und Versicherungsunternehmen. Aber auch Chemie, Marketing, Medien und einige Großkonzerne. Damit wird es dann schnell auch sehr international. Hinzu kommen Schulen, Bildungsträger, Verbände, Gastro- und Eventlocations.

Haiko: Das heißt, ihr seid viel unterwegs?

Michael: Die letzten Monate war das meiste virtuell aber ab dem Frühjahr werden wir wieder häufiger reisen. Bei einem Bildungsurlaub sind wir dann zu zweit eine Woche lang in einem Weinbaugebiet. Und für Firmen und Schulungen geht es überall hin.

Haiko: Hat das auch etwas mit Euren Spirituosen zu tun?

Lea: Seit 2021 haben wir zwei Linien, die wir bei einer befreundeten Brennerei exklusiv entwickelt haben. Aus dem Ursprung „The Butcher Gin“ sind drei Gins geworden. Und es entstand die Kollektion „Men of the Sea“ mit drei karibischen Rums. Individualisierte Produkte und Exklusiv-Events sind hierbei im Fokus. Das passt bei manchen Firmen also gut zusammen.

Haiko: In Niedernhausen wird aber nicht gebrannt, oder?

Lea: Wir haben nach unserer Idee die Marken kreiert und mit dem Brennerei-Team umgesetzt. Gebrannt wird in Norddeutschland. Bisher von den Gins immerhin knapp 3000 Flaschen.

Haiko: Bleibt da überhaupt noch Zeit? Welche Rolle spielt Niedernhausen?

Michael: Stimmt, die Zeit ist knapp. Aber ich glaube, unsere Kunden merken, dass wir alles Mögliche möglich machen. Hier in der Wiesbadener Straße fühlen wir uns zuhause. Ein Standortwechsel kam daher noch nie ernsthaft in Frage und auch jetzt nicht, wenn das Konzept zeitgemäß angepasst wird.

Haiko: Corona hat sicherlich viel bewirkt?

Mareike: Wie überall. Wir alle haben unser Einkaufsverhalten geändert und das merken wir natürlich deutlich im Vino. Umso wichtiger, die notwendigen Anpassungen vorzunehmen und uns stärker auf die Kundenbedürfnisse einzustellen. Wir haben im Team und mit externer Unterstützung einen Plan erarbeitet, der alle Bereiche berücksichtigt.

Haiko: Es geht also in Niedernhausen weiter?

Michael: Nicht nahtlos – aber ja! Letzter Tag ist tatsächlich der 31.Dezember. Damit ist das Vino geschlossen, es gibt weder Verkauf noch Tastings. Und wir freuen uns auf das Re-Opening.

Haiko: Das klingt spannend, wann ist es so weit?

Mareike: Für unser Team geht hinter den Kulissen die Arbeit direkt weiter. Aber unser Re-Opening kommt später. Ein konkretes Datum fürs Frühjahr soll im Januar festgelegt werden. Das hängt von Konzeptions- und Umbauzeit ab. Eine neue Kollegin kommt ins Team, die EDV ändert sich und Corona wird möglicherweise auch ein Wörtchen mitreden.

Haiko: Also müssen wir uns gedulden und können uns worauf freuen?

Lea: So ganz genau wollen wir das noch nicht verraten. Aber wie Mareike sagte: Wir richten uns auf das aus, was am meisten gefragt ist: Freitag und Samstag wird zu den starken Tagen rund um guten Genuss: Ausschank, Bar, Concept-Store.

Haiko: Sind das die „New Emotions“ auf Eurem Flyer?

Michael: Ja genau. Der klassische Ladenverkauf ist im Umbruch. Shopping allein können Supermärkte und Onlineshops viel besser. Es ist wichtiger, neue und ungewöhnliche Produkte zu zeigen und darüber zu sprechen. Neues Entdecken und Neues erleben.

Haiko: Also kein Laden mehr. Was finden wir im Concept-Store?

Michael: Laden trifft einfach nicht das, was wir wollen und worin die Zukunft im Fachhandel liegt. Lieber schaffen wir Raum für Kommunikation und Emotionen. Freitags kann man sich treffen und klönen. Samstags ist zusätzlich der Concept-Store offen, wo man beraten wird, verkosten und einkaufen kann. Handverlesene, richtig gute Produkte, statt riesigem Sortiment. Mehr Produkt-Flexibilität, weniger Mainstream, dafür mehr Individualität. Weniger ist mehr.

Haiko: Bekomme ich meinen Lieblingswein trotzdem noch bei Euch?

Mareike: Ja. Wir werden uns schon spürbar verändern, aber natürlich verschwindet nicht alles. Das, was nicht vorrätig ist, kann bestellt werden. Oder man findet spannende Alternativen und lässt sich auf Neuentdeckungen ein.

Haiko: Was kennzeichnet Euer Sortiment? Vielleicht in einem Wort?

Michael: Dann wohl am ehesten „Nachhaltigkeit“.

Haiko: Warum das?

Michael: Weil wir Wert darauflegen, dass unsere Partner nachhaltig arbeiten. Möglichst naturnah, authentisch, gewissenhaft, zukunftsorientiert.

Haiko: Ist das dann Bio?

Lea: Tatsächlich ich fast jeder vierte Wein bei uns bio-zertifiziert. Allerdings muss Bio nicht gleich Bio bedeuten und richtige Nachhaltigkeit geht weit über ein bloßes Siegel hinaus. Es lohnt sich, genau hinzuschauen und zu hinterfragen. Darum arbeiten wir mit Menschen, die uns ihre Philosophie erklären und ihre Arbeitsweise zeigen, sowohl bei Wein als auch bei Spirituosen und Sake. Das vermitteln wir auch in Seminaren und Bildungsurlauben. Dafür sind wir gerne Botschafter.

Haiko: Wie geht ihr denn überhaupt zukünftig mit Veranstaltungen um?

Mareike:. Wir kooperieren mit ausgewählten Locations. Die Gin Lounge im Loftwerk Wiesbaden, Events im Budenzauber Königshofen, Loft in Naurod und für die vhs u.s.w. bleiben. Da wir unsere Ressourcen anders einsetzen, wird es bei uns im Haus jedoch keine Veranstaltungen und keine Private Tastings geben. Dafür gibt es andere Ideen und dann haben wir ja auch noch unsere Bar…

Haiko: …die Pop-Up-Speakeasy-Bar? Was hat es damit auf sich?

Michael: Das ist etwas Persönliches, das ich seit vielen Jahren realisieren wollte: Die Bar, in die ich gerne gehen würde. Natürlich mit Negroni (meinem Lieblings-Drink), ansonsten durchaus exklusiv und sicherlich etwas eigenwillig. Also seid gespannt. Aber so viel sei verraten: Ein Pop-Up ist nicht statisch und nicht immer da. Und: Ein Speakeasy braucht eine Klingel an der Tür… Mehr wird heute nicht verraten.

Haiko: Okay, dann abschließend diese Frage: Was bedeutet „Kiez & Ko“?

Michael: Meine Familie „Kietzmann“ kommt aus Berlin, wo es seit dem Mittelalter die Kieze, ursprünglich Fischersiedlungen, gibt. Heute steht Kiez nicht nur für einen Stadtteil, sondern gleichermaßen für Heimat, Zugehörigkeit, Diversität, Lifestyle und Lebensgefühl. „Ko“ steht für die Konsorten. Denn ich wollte nie etwas allein machen – und das ginge auch gar nicht. Nicht ohne Kunden und Gäste. Und erst recht nicht ohne ein fantastisches Team. Letztendlich sind wir alle Konsorten.

Haiko: Perfektes Schlusswort. Viel Erfolg und danke für das Interview.

Weiter Infos und die zusammengetragenen FAQs unter www.kiezundko.de/flaschenwechsel