Neue Fluchtbewegung
Am 16. September starb in einem Teheraner Krankenhaus die junge Iranerin Mahsa Amini. Sie war drei Tage zuvor von der iranischen Sittenpolizei verprügelt worden, weil ihr Kopftuch angeblich nicht den strengen Vorschriften der Islamischen Republik entsprach. Die Behörden erklärten, die junge Frau sei nicht zusammengeschlagen worden, sondern an Herzversagen gestorben; in den sozialen Medien kursieren allerdings etliche Videos der iranischen Sittenpolizei, die bei Festnahmen alles andere als zimperlich ist. Die brutale Durchsetzung strenger religiöser Regeln ist im Iran seit Jahrzehnten Alltag. Immer wieder erreichen uns Bilder von der Exekution homosexueller Männer, oder von der Steinigung angeblich ehebrechender Frauen.
Jetzt bilden sich überall im Iran Proteste, die Menschen stehen auf gegen die Unterdrückung durch ihren Staat. Das Kopftuch wird dort zum Symbol der Repression. Dazu kommen die seit Jahren schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse, viele Iraner darben in Armut, haben nicht einmal fließendes Wasser. Die Behörden reagieren mit der Sperrung des Internets, um die Organisation von Protesten zu verhindern, und damit sich keine Nachrichten von Protesten verbreiten können. Den mutigen Protestlern, die für eine Änderung der Verhältnisse kämpfen, drohen harte Strafen, denn die Regierung des Iran sieht sich selbst als Gottes-Staat, der strenge religiöse Regeln für alle gesellschaftlich und gesetzlich festlegt. Die dortigen Herrscher sind davon zutiefst überzeugt: Als ich kürzlich mit Regierungsvertretern in Teheran gesprochen hatte, hat man uns klar gemacht, dass der schiitische Gottesstaat den westlichen freiheitlichen Demokratien weit überlegen sei, und man uns das beweisen werde.
Nun fliehen wieder Menschen in Scharen aus dem Iran. Und es betrifft nicht nur den Iran: Die Behörden melden, dass wieder große Mengen an Flüchtlingen zu Fuß über die sogenannte Balkanroute in Richtung Europa auf dem Weg seien. Dazu kommen seit letzter Woche Scharen von jungen Russen, die von der Teilmobilmachung erfahren haben, und Russland fluchtartig verlassen. Putin gehen die Soldaten aus, das wissen wir seit einigen Wochen, und die ukrainischen Erfolge bei der Rückeroberung der Region Charkiw haben das verdeutlicht. Putin steht also mit dem Rücken zur Wand, und er hat die Wahl, den Krieg zu unterbrechen oder zu beenden, oder ihn zu Intensivieren mittels Mobilmachung weiterer Humanressourcen. Leider hat er sich für zweiteres entschieden. Viele Russen treibt jetzt die Angst, als Kanonenfutter an die Front des Ukraine-Kriegs geworfen zu werden, und daher verschwinden Sie schnellstmöglich aus Russland. Das ist für Putin ein großes Risiko, denn er verliert jetzt große Teile der jungen Generation, und die öffentliche Meinung in Russland ändert sich gegen ihn. Wir müssen uns in Deutschland, auch hier am Rand der Rhein-Main-Region, darauf einstellen, dass in den kommenden Tagen und Wochen wieder verstärkt Flüchtlinge ankommen werden.