Revolutionierung des Nahverkehrs
Deutschlands öffentlicher Personen-Nahverkehr ist eine Wissenschaft für sich. Wenn Sie in einer fremden Stadt sind, kostet es immer enormen Aufwand, die verschiedenen Tarifzonen zu studieren, und die genauen Preis-Bedingungen für Rentner, Schüler und Studenten zu verstehen. Ob sich für Ihre Fahrt eher die “10-Uhr-Karte“ oder das „Flexticket“ eignet, und wie lang genau denn ein „Kurzstreckenticket“ gilt, das sind echte Herausforderungen für Reisende. In diesem Sommer hat uns die Bundesregierung im Rahmen ihrer Entlastungspakete das „9-Euro-Ticket“ präsentiert, mit dem all diese komplizierten Bedingungen plötzlich weg gefallen sind: Ein einziges Nahverkehrs-Ticket mit deutschlandweiter Geltung war ein echter Renner. Die Intention war eigentlich, die Menschen finanziell zu entlasten, aber auch angesichts der horrenden Kraftstoff-Preise einen Anreiz zu bieten, das eigene Auto stehen zu lassen und Busse und Bahnen zu nutzen, was am Ende auch der Umwelt zugutekommt. Der eigentliche Charme (neben dem extrem günstigen Preis) lag aber tatsächlich darin, die komplizierten Nutzungs-Bedingungen im ÖPNV aufzubrechen und ein digitales, monatlich kündbares Deutschland-Ticket anzubieten. Der Erfolg war so groß, dass nach Ablauf des Angebots klar war, dass es eine Anschluss-Lösung geben muss, und es wurde wochenlang darüber beraten. Als Dauer-Problem stellte sich heraus, dass die Bundesländer, die für die Finanzierung von öffentlichem Nahverkehr eigentlich zuständig sind, immer wieder darauf bestanden haben, selbst keine Kosten an einer Lösung tragen zu wollen. Das Kalkül der Länder war: der Druck auf die Bundesregierung wird so groß werden, dass sie am Ende trotz leerer Kassen die Finanzierung sicherstellen muss. In der vergangenen Woche wurde endlich eine Einigung erzielt. Es war die Geburt des künftigen 49-Euro-Tickets: Eine Nachfolge für das 9-Euro-Ticket dieses Sommers, digital, monatlich kündbar, und in ganz Deutschland gültig. Es wird den Bund zusätzliche 1,5 Milliarden Euro pro Jahr kosten, und auch die Länder gleich viel. Dieses Ticket wird sicher ebenfalls ein Erfolg werden, und es wird auch viele weg vom Auto und hin zu klimafreundlicher Mobilität bewegen. Allerdings ist weiterhin offen, wie die Zuverlässigkeit und die Pünktlichkeit auf der Schiene verbessert werden kann, um die Menschen noch stärker von dem Angebot zu überzeugen. Dass derzeit weniger als 60% der Fernzüge in Deutschland pünktlich ankommen ist ein echtes Armutszeugnis für das System des ÖPNV hier in Deutschland. Das 49-Euro-Ticket kostet erst einmal viel Geld und enthält keine Investitionsmittel für den Ausbau der Strecken, und für die Reparatur und Digitalisierung der Steuerung und der Signalanlagen. Die Sabotage an den Kommunikationskabeln vor zwei Wochen hat dazu gezeigt, wie verwundbar unser System gegen Anschläge ist, auch hier müssen wir dringend noch besser werden. Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat einen Plan angekündigt, die Schienen-Infrastruktur gründlich zu überprüfen, dabei mehr Redundanz zu schaffen (also parallel nutzbare Strecken mit zwei Gleisen und mehr Wechsel-Möglichkeiten dazwischen), außerdem die Leit-Technik zu modernisieren und zu digitalisieren. Daran wird er sich messen lassen müssen; es kann aber eigentlich auch nur noch besser werden. Auch hier in Niedernhausen beraten wir in dieser Woche die Modernisierung des Bahnhof-Umfelds in den Ausschüssen, um unseren Anteil an der Attraktivierung der Bahn-Nutzung zu leisten.