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Untersuchungsausschuss „Afghanistan“

In der vergangenen Woche wurde es im Untersuchungsauschuss „Afghanistan“ zum ersten Mal richtig spannend, als die ersten Betroffenen ausgesagt hatten. Im Sommer des letzten Jahres waren alle internationalen Truppen aus Afghanistan abgezogen, und die Taliban hatten danach das Land in atemberaubendem Tempo wieder erobert. Jeder erinnert sich noch an die furchtbaren Szenen, als tausende von verzweifelten Menschen versuchten, in den Flughafen Kabul zu gelangen, um irgendwie außer Landes zu kommen. Viele Menschen hatten damals um ihr Leben zu fürchten, denn insbesondere diejenigen, die vorher mit den internationalen Truppen zusammengearbeitet hatten, wurden von den Taliban verfolgt, manchmal eingesperrt, aber auch oft genug auf der Stelle ermordet. Viele Afghanen hatten auch für die Bundeswehr gearbeitet, als sogenannte „Ortskräfte“: Übersetzer und Dolmetscher, Bewachungs- und Reinigungspersonal, Küchenkräfte und viele mehr, die man an einem Militär-Standort als Unterstützer benötigt. Diese Menschen und ihre Familien versuchten im Chaos des August 2021, mit ihrem Leben davon zu kommen. Die Bundesregierung hatte damals umfangreiche Hilfe versprochen und dazu auch großzügige Aufnahme, doch viele schafften es nicht mehr und blieben zurück. Von vielen Schicksalen haben wir nie mehr erfahren; das Auswärtige Amt geht davon aus, dass noch rund 1400 Ortskräfte im Land waren oder noch sind, denen eine Aufnahme durch die Bundesrepublik Deutschland zugesagt worden war. Am Donnerstag hatten wir einen Afghanen als Zeugen vernommen, der früher für die Bundeswehr im Bereich Medien gearbeitet hatte, also Filme erstellt und geschnitten hatte. Als die Taliban das Land überrannten, hatte er alle möglichen Kontakte nach Deutschland bemüht, um einen Zugang zum Flughafen zu bekommen, und mit einer der Bundeswehr-Maschinen gerettet zu werden, die damals mehrere Tage die Evakuierung durchgeführt hatte. Nach seinen Schilderungen erhielt er einen Anruf von der Bundeswehr, am gleichen Tag noch mit seiner Familie zum Flughafen zu kommen, und sofort evakuiert zu werden. Er erhielt eine E-Mail, die einen Zugang zum Flughafen sichern sollte, und sein Name sollte den Diensthabenden Soldaten am Flughafen mitgeteilt werden. Auf dem Flughafen angekommen, wurde er zunächst eingelassen, aber die Bundeswehr-Soldaten hätten die Mail als Fälschung bezeichnet, und ihn mit vorgehaltener Waffe wieder aus dem Flughafen heraus gezwungen. Vor dem Flughafen sei er dann zusammengeschlagen worden. Später hat er die Flucht nach Deutschland geschafft, aber seine Eltern hat er seitdem nie mehr gesehen, sie sind noch in Afghanistan und hoffen, von den Taliban nicht belangt zu werden. Unter Tränen und mit stockender Stimme hat der Mann, dessen Namen wir zu seinem Schutz nicht öffentlich nennen, uns seine emotionale Geschichte geschildert, und wir haben alle Hinweise auf Dienststellen der Bundeswehr (also Rufnummern, Namen und eMail-Adressen) notiert, um später herauszufinden, ob es ein Einzelfall war, oder ob möglicherweise systematisch Fehler gemacht wurden, die an dieser Stelle lebensgefährlich waren. Wir wollen im Untersuchungsausschuss herausfinden, ob das damalige Chaos hätte vermieden werden können, warum unsere Rettungsflieger erst eintrafen nachdem die anderen mit der Evakuierung schon fast fertig waren, und wie die Rettungsaktion organisiert worden ist. Wir wollen damit auch lernen für laufende und künftige Auslands-Einsätze der Bundeswehr, damit ein solches Chaos nie wieder passieren darf. Als Obmann in diesem Untersuchungsausschuss koordiniere ich die Arbeit der FDP darin. Wir stehen erst ganz am Anfang unserer Befragungen, und werden gegen Ende der Legislaturperiode einen umfangreichen Abschlussbericht erstellen. Weil wir auch Mitarbeiter des Bundeskanzleramts und der Geheimdienste befragen werden, erhalten wir einen Einblick in deren Arbeit in Krisen-Situationen, die aufgrund ihrer Natur stets geheim stattfinden. Ich werde das berichten, was nach außen dringen darf, und halte Sie auf dem Laufenden.