„Ein Zeichen für Demokratie und gegen Diskriminierung“
Landrat Frank Kilian über der AWO Rheingau-Taunus den Präventionspreis 2022 für das Projekt „Die Würde des Menschen ist unantastbar“
„Wir honorieren ganz bewusst diese wichtige Arbeit und animieren jeden dazu, auch weiterhin präventiv tätig zu sein“, betont Landrat Frank Kilian. Schließlich will im Rheingau-Taunus-Kreis niemand darauf warten, bis – sprichwörtlich – das Kind in den Brunnen gefallen ist, sondern schon vorher geeignete Schutzvorkehrungen treffen, um es gar nicht erst zum Schlimmsten kommen zu lassen. Die Vorgabe erfüllt das Projekt „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ der AWO Rheingau-Taunus Soziale Arbeit gGmbH, das von Landrat Frank Kilian mit dem Kreis-Präventionspreis 2022, dotiert mit 3.000 Euro, ausgezeichnet wurde. Entwickelt wurde das Projekt in Zusammenarbeit mit der Gölkel-Stiftung aus Frankfurt und der Bildungsstätte Anne Frank. In dem Projekt geht es unter anderem um eine – auch selbstkritische – Reflexion, was Diskriminierung bei jungen Menschen auslöst, die Ziele solcher Angriffe sind. „Wir sprechen darüber, was in den Köpfen von Menschen vorgeht, die Diskriminierungen ausgesetzt sind“, erläutert die Awo-Projektkoordinatorin Susanne Gerngroß
Das Konzept des Projektes hat sich im Schulalltag bereits bewährt, berichtet der Projektentwickler des Kreises, Jörg Weber. Seine Bewährungsprobe und seinen Ursprung hatte es in einem anderen Kontext im Strafvollzug, wie sich Martin Ginz von der Gölkel-Stiftung und Weber erinnern. Dann kam der Gedanke auf: „Das Konzept kann sich auch für Schulen eigenen.“ Die AWO war von Beginn an bereit, nicht nur als Träger aufzutreten, sondern sich auch um eine nachhaltige Implementierung zu bemühen. Im Frühling 2022 hat die Awo die Stelle einer Bildungsreferentin für das Projekt geschaffen. Neben dem Ausbau und der Weiterentwicklung des Workshops-Angebotes gehört dazu auch ein eigenes Design, ein medialer Auftritt und ein neuer Name: „un/gleich – Politische Bildung im Rheingau-Taunus-Kreis.
In der Limesschule in Idstein ging es los. Es folgten die Hildegardisschule in Rüdesheim, die Beruflichen Schulen Untertaunus und die Pestalozzischule Idstein. An der Internatsschule Hansenberg ist ein Angebot geplant. So bildete sich ein umfassendes Netzwerk an Schulen, die das Projekt „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ im Unterricht der Klasse 7 durchführten. Denn schließlich greift das Konzept des Projektes bei Hauptschülern ebenso wie bei Gymnasiasten oder Berufsschülern. Etwa 250 Schülerinnen und Schüler haben mittlerweile in 12 Workshops an dem Projekt teilgenommen.
Und die Form des Projektes, die Schüler sind mit speziell ausgebildeten Fachkräften zusammen, lässt die Schülerinnen und Schüler manchmal auch aus einer selbst gewählten Isolation heraustreten. Das ist jedenfalls die Erkenntnis von Michael Weigelt, dem Vorstandsvorsitzenden der AWO Rheingau-Taunus, nachdem er eine Feedback-Veranstaltung besucht hatte und dort einen breitschultrigen 16-Jährigen erlebte.
Weigelt: „Er hat eloquent erzählt, was ihm so alles im Schulalltag stinkt. Das war überraschend, weil er laut den Aussagen seiner Lehrer im Unterricht sonst kaum die Zähne auseinander bekommt und etwas redet.“
„Mittels des Projektes wollen wir zum Nachdenken animieren, aber auch einen Perspektivwechsel ermöglichen. Was bedeutet es, von anderen diskriminiert zu werden?“, erzählt Susanne Gerngroß. Warum gibt es Diskriminierungen? Was hat das alles mit der Menschenwürde des Einzelnen zu tun? „Das sind die Themenschwerpunkte des Projektes, um ein Nachdenken zu ermöglichen“, so die Koordinatorin. „Es geht dabei auch immer um eine konstruktive Auseinandersetzung mit der eigenen Haltung“, ergänzt der AWO-Geschäftsführer Ralf Reitz. Es wird mit vielfältigen Methoden gearbeitet, unter anderem werden Kooperationsspiele und Videos eingesetzt. Das Konzept kann zudem durch Module und Themen erweitert werden.
Susanne Gernegroß: „Wir befassen uns auch mit den Konsequenzen von ‚Hate Speech‘, also von übelster Hetze im Internet, den Auswirkungen von rassistischen Äußerungen, mit Verschwörungstheorien oder der Verbreitung rechter Ideologien. Wir zeigen auf, wie wir solche Ideologien erkennen und welche geeigneten Maßnahmen wir ergreifen können, um diese zu entkräften“, berichtet die Koordinatorin, die auch auf die neu konzipierte Homepage samt neuem Logo für das politische Bildungsprogramm „un/gleich“ der AWO im „und für den Rheingau-Taunus-Kreis“ verweist.
So sieht AWO-Geschäftsführer Ralf Reitz das Projekt mit seinen thematischen Schwerpunkten und damit als Bestandteil der politischen Bildung in der derzeitigen Situation als dringend geboten an. Ziel dieser präventiven Arbeit müsse „der mündige Demokrat“ sein. Schließlich gebe es auch im Kreisgebiet Querdenker, Reichsbürger und rechte Strömungen. Die Awo im Kreis will dagegen „ein Zeichen für Demokratie und gegen Diskriminierung und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit setzen“. Deshalb wird das Projekt flächendeckend angeboten. Zudem schwebt der Awo vor, das Konzept „in Richtung Erwachsenenbildung“ weiterzuentwickeln. So sucht sie Gespräche mit Kirchengemeinden, Jugendzentren und Feuerwehren. In den Workshops arbeitet die AWO mit ausgebildeten Demokratie-Trainern zusammen. Dafür sucht sie nach jungen engagierten Menschen, die sich qualifizieren lassen wollen und dann bereit sind, eine solche Aufgabe als Demokratie-Trainer zu übernehmen.
Der Präventionspreis des Kreises wurde in diesem Jahr zum 20. Mal verliehen. Darauf verwiesen Landrat Kilian und der zuständige Mitarbeiter Franco Matera. Kilian erinnerte zudem daran, dass der Rheingau-Taunus-Kreis zu den sichersten Landkreisen in ganz Deutschland gehört. Diese Auszeichnung müsse sich der Kreis aber immer erarbeiten. Umso wichtiger sei die Präventionsarbeit, die kontinuierlich fortgesetzt werden muss. „Wir können uns auf eine konstruktive Präventionsarbeit der unterschiedlichsten Institutionen verlassen“, lobte der Landrat abschließend.