Hohes Kreisdefizit

  • Haushaltsentwurf 2026 mit Defizit von über 33 Millionen in den Kreistag des RTK eingebracht
  • Handlungsspielraum der kommunalen Ebene immer kleiner – Pflichtaufgaben von Bund und Land machen über 99 Prozent des Haushaltes aus
  • Vorschlag des Kreisausschusses an die Politik: Keine Anhebung der Kreisumlage um Kommunen zu schonen
  • Thema wird auf Landes- und Bundesebene angepackt: Sondervermögen und Soforthilfe entlasten kurzfristig – Strukturreformen für Zukunft entscheidend

Strukturelle Unterfinanzierung und starke Kostensteigerungen, insbesondere bei den Sozialleistungen, setzen den Haushalt im Rheingau-Taunus-Kreis, wie in vielen Landkreisen, weiterhin enorm unter Druck. Der Haushaltsentwurf 2026 weist ein Defizit von 33,9 Millionen im Ergebnishaushalt und 37,5 Millionen im Finanzhaushalt auf. Grund für das Defizit ist nach wie vor die unzureichende Gegenfinanzierung von Pflichtaufgaben vor allem durch den Bund.

„Die Konsequenzen der fehlenden Konnexität spüren wir mittlerweile überall in der kommunalen Familie“, betont Landrat Sandro Zehner. „Selbst bislang finanzstarke Kommunen im RTK wie Taunusstein rutschen in tiefrote Zahlen. Trotz harter Sparmaßnahmen ist das Ende des Möglichen bereits heute abzusehen – mit allen Gefahren für unsere Demokratie und die kommunale Selbstverwaltung vor Ort. Wir sitzen als Kommunale in einem Boot und müssen gemeinsam Lösungen entwickeln, wie wir die Aufgaben für die Menschen im RTK trotz der Umstände bestmöglich erfüllen können.“

Eine weitere Steigerung der Kreisumlage ist daher im Entwurf des Haushaltes für 2026 nicht vorgesehen. Bei der Schulumlage, die der Rheingau-Taunus-Kreis als Schulträger erhebt, ist im Entwurf des Haushaltes 2026 sogar eine leichte Absenkung eingeplant: 24,08 Prozent statt 24,32 Prozent. Die Schulumlage berechnet sich auf Basis der tatsächlichen Kostenplanung.

Strukturelle Unterfinanzierung schlägt sich vor allem im sozialen Bereich nieder

Bei den vom Bund festgelegten Pflichtaufgaben allein aus den Sozialgesetzbüchern (SGB) fehlen im RTK rund 127 Millionen Euro, die nicht gegenfinanziert werden. Angesichts des Gesamtdefizits von 33 Millionen Euro wird deutlich: Der RTK verfügt eigentlich über die Kraft, sich gemäß Gesetz auskömmlich zu finanzieren. Mit entsprechender Konnexität des Bundes stünde unterm Strich heute ein deutliches Plus im hohen zweistelligen Millionenbereich.

Allein: Der Zuschussbedarf für diese Pflichtleistungen durch den Kreis hat sich seit 2020 um über 95 Prozent erhöht. Die hierfür vorgesehenen Zuweisungen sind aber bei weitem nicht entsprechend mitgewachsen. Abzüglich der Zuweisungen durch das Land fehlen im Kreishaushalt beispielsweise in der wirtschaftlichen Jugendhilfe 38,4 Millionen Euro, im Jobcenter 21,3 Millionen Euro und bei der Migration 15,4 Millionen Euro. Einsparungen sind hier nicht möglich, da die übertragenen Aufgaben aufgrund von Bundesgesetzen sicherzustellen sind. Vor allem bei der Hilfe zur Pflege, der Kinder- und Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe steigen die Gesamtkosten in den vergangenen Jahren durch Kostensteigerungen und Komplexität und Schwere der Fälle stark an – bei letzterem beispielsweise um fast 40 Prozent seit 2023.

Zehner fordert: „Die Kosten explodieren, aber ich bekomme vor Ort immer wieder gespiegelt: Das Geld kommt teils gar nicht so bei denjenigen an, die es brauchen. Wir sollten als Staat schnellstmöglich dafür sorgen, dass Gelder wirkungsvoll eingesetzt werden und für die Menschen eine echte Hilfe und Entlastung sind. Dafür benötigen wir mehr Wirkungsorientierung bei den administrativen Strukturen und eine echte finanzielle Verantwortungsübernahme des Bundes als Gesetzgeber.“

Bund und Land haben Thema im Blick: Erste-Hilfe Maßnahmen sind auf dem Weg

Laut der Hessischen Landesregierung sollen rund die Hälfte der 7,4 Milliarden des Bundessondervermögens für Investitionen an die Kommunen gehen. Bei einem Anteil von circa 0,9 Prozent würde das den Finanzhaushalt des RTK um überschlagen rund 5,5 Millionen Euro entlasten. Die Summe ist bereits im Haushaltsentwurf eingerechnet. Über einen Nachtragshaushalt gehen in Hessen weitere 300 Millionen Euro als Soforthilfe ohne Zweckbindung an die Kommunen. Wenn die Mittel über den üblichen Verteilerschlüssel an die Kommunen gehen, würden dem RTK davon rund 3,8 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Beides ist ein wichtiges Signal und eine kurzfristige Entlastung. Entscheidend sind jetzt die Reformen für eine nachhaltige Perspektive.

„Ministerpräsident Boris Rhein hat sich auf Bundesebene für die kommunale Ebene stark gemacht und die Problematik ist in der Regierung angekommen“, ordnet Sandro Zehner die Entwicklung ein. „Das jetzt schnell auch erste Sofortmaßnahmen durch das Sondervermögen des Bundes sowie der hessischen Soforthilfe bei uns ankommen, zeigt, dass konkret gehandelt wird. Wichtig ist, dass mit der gleichen Geschwindigkeit auch die strukturellen Reformen sowie das Wirtschaftswachstum angepackt werden, um aus der Schuldenspirale herauszukommen. Hier gibt es keine einfachen Antworten, aber die Initiative des Bundesdigitalministeriums und des Landes Hessen zur Staatsmodernisierung zeigt, dass auch in der Substanz wichtige Themen angepackt und nach vorne getrieben werden. Wir sind froh, als Pilot mit dem Rheingau-Taunus-Kreis hier einen Beitrag leisten zu können.“

Auch die Kreisverwaltung selbst hat 2024 ein umfangreiches Transformationsprogramm gestartet, bei dem unter anderem Prozessoptimierung und -automatisierung durch beispielsweise KI-Lösungen auf der Agenda stehen. Durch vorausschauendes Management und klare Prioritätensetzungen sollen Abläufe effizienter, bürgernäher und damit auch kostensparender werden. Angesichts der Vielzahl der Aufgaben des Landkreises ein Marathon, der mit hohem Tempo absolviert werden muss.

Finanzplanungserlass des Landes Hessen ermöglicht weiterhin freiwillige Leistungen

Dass ein nicht ausgeglichener Haushalt trotzdem vom zuständigen Regierungspräsidium genehmigt werden kann, wird durch den aktuellen Finanzplanungserlass des Landes Hessen möglich. Das ist vor allem in Bezug auf die freiwilligen Leistungen des Landkreises eine gute Nachricht – diese dürften sonst nicht ausgezahlt werden. Bereits bestehende Zuschüsse und Förderungen für soziale Einrichtungen, Sportvereine und Ehrenamtsförderung könnten mit der Genehmigung fortgeführt werden. Diese freiwilligen Leistungen machen weniger als 0,8 Prozent des gesamten Haushaltsplans im RTK aus, sie sind aber für das Ehrenamt, den Breitensport und den gesellschaftlichen Zusammenhalt vielerorts das finanzielle Rückgrat.

Der jetzt in den Kreistag eingebrachte Haushaltsentwurf wird in den kommenden Wochen in den Gremien des Rheingau-Taunus-Kreises beraten. Für die nächste Kreistagssitzung am Dienstag, 2. Dezember, 15 Uhr, im Kurhaus Bad Schwalbach ist der Beschluss der Haushaltssatzung vorgesehen. Die Sitzung ist öffentlich.

Wird der Haushalt dort beschlossen, muss anschließend das Regierungspräsidium über die Genehmigung und eventuelle Auflagen entscheiden. Das ist in den vergangenen Jahren meist Ende des zweiten Quartals der Fall gewesen.