Nahverkehrsplan für den RTK: Entwicklung des ÖPNV der Zukunft ist von herausfordernden Rahmenbedingungen geprägt
- Fortschreibung des Nahverkehrsplans bis 2030 in RTK und WI liegt vor
- Gesetzliche Vorgaben und steigende Betriebskosten beeinflussen Entwicklung stark
- Jährliche Kostensteigerungen von bis zu 800.000 Euro bei gleichbleibendem Angebot
- Gesetzlich verankerter Schülerverkehr hat Priorität
Die Rheingau-Taunus-Verkehrsgesellschaft (RTV) entwickelt aktuell die Fortschreibung des Nahverkehrsplans für den RTK bis 2030 als Entwurf. Die Fortschreibung des Nahverkehrsplans ist ein gesetzlich vorgeschriebener Auftrag. In der Regel erfolgt die Fortschreibung alle fünf Jahre.
Das Ziel des Nahverkehrsplans: Rahmenbedingungen und die perspektivische Entwicklung des ÖPNV aufzeigen und als Grundlage zukünftiger ÖPNV-Angebote dienen. Allerdings sind sowohl die finanziellen als auch die personellen Bedingungen so angespannt wie nie, was insbesondere einen Flächenlandkreis wie den RTK vor enorme Herausforderungen stellt.
Durch Tarifsteigerungen, zusätzliche EU- und Bundesvorgaben wie die Umstellungen auf erneuerbare Antriebstechniken, womit hohe Investitionen in Busse und Infrastruktur einhergehen, steht bereits jetzt fest: Der ÖPNV im Rheingau-Taunus-Kreis wird teurer. Aktuell liegen drei Varianten vor, über die nach Berücksichtigung der Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange (TÖB) der Kreistag final entscheiden wird. Die Szenarien reichen in Abstufungen von so genannten Basismaßnahmen, die ein Grundangebot sichern bis hin zu einem ÖPNV-Ausbau mit einem verbesserten Zielnetz bis 2030. Im Falle einer Reduktion würden zentrale Netzachsen gesichert und das Regional- und Expressbusnetz beibehalten werden. Im so genannten Nebennetz sind Linienkürzungen und die Erweiterung von On-Demand-Korridoren vorgesehen.
„Als Flächenlandkreis mit 811 Quadratkilometern und ländlichen Strukturen haben wir beim ÖPNV völlig andere Herausforderungen, als Ballungsräume wie Wiesbaden, Mainz oder Frankfurt“, erklärt Landrat und Verkehrsdezernent Sandro Zehner. „Außerdem müssen wir fast alles mit lokalem Busverkehr abdecken, weil der schienengebundene ÖPNV nur an den Rändern des Landkreises zur Verfügung steht. Die Kosten dafür steigen momentan rapide. Wir fahren als einziger Landkreis in zwei von drei Linienbündeln den vom Land Hessen geforderten Stundentakt. Das ist für den ländlichen Raum allerdings auch sehr, sehr teuer und allein die Aufrechterhaltung dieses Angebots wird durch Tarifsteigerungen, Energiepreise und jährliche Mehrkosten von 600.000 bis 800.000 Euro verursachen. Sprich: Es kommen Millionen Euro Mehrkosten auf uns zu, ohne dass wir einen Kilometer mehr oder häufiger gefahren sind.“
Die Herausforderungen für die zukünftige Nahverkehrsplanung im Rheingau-Taunus-Kreis gehen über ein reines Zahlenwerk weit hinaus, ergänzt Arno Brandscheid, Geschäftsführer der Rheingau-Taunus-Verkehrsgesellschaft: „Der heute schon eklatante Fachkräftemangel bei den Busfahrern und im Schienenverkehr von DB und Vias bedeutet bereits jetzt, dass Busse und Züge spontan ausfallen und Fahrten nicht besetzt werden können. Das wird sich über das Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge in den nächsten Jahren deutlich verschärfen. Zudem werden im Planungszeitraum völlig neue Herausforderungen wie der gesetzliche Anspruch auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen ab 2026 auf die Schülerverkehre und damit die Verbreiterung der Belastungskorridore auf den ÖPNV zukommen.“
„Für mich ist bei der zukünftigen Nahverkehrsplanung besonders wichtig, den Bedarf an Schülerbeförderung sicherzustellen. Dazu sind wir nicht nur gesetzlich verpflichtet, es ist auch eine Gruppe, die oft keinerlei Alternativen nutzen kann“, bekräftigt Landrat und Verkehrsdezernent Sandro Zehner. „Bei den Pendlerverkehren wollen wir ein klareres Bild für uns entwickeln, um in Zukunft eine passgenaue Planung hinzubekommen. Wir werden in Zukunft in engeren, regelmäßigen Zeitabständen das Nutzerverhalten messen und überprüfen, um bedarfsgerechte Angebote zu machen, die finanzierbar sind.“
Täglich sind momentan im Rheingau-Taunus-Kreis bei den Linien- und Bedarfsverkehren rund 160 Busse im Einsatz. Insgesamt werden über sechs Millionen Nutzwagen-Kilometer pro Jahr zurückgelegt. Im Jahr 2023 lagen die Kosten der RTV für diese ÖPNV-Leistungen bei 25,7 Millionen Euro, allein für den Schülerverkehr schlugen 2023 10,7 Millionen Euro zu Buche.
Dem gegenüber stehen Einnahmen in Höhe von insgesamt rund zehn Millionen Euro. Der Kostendeckungsgrad liegt bei knapp 39 Prozent. Die Einnahmen stammen aus der Einnahmezuscheidung des RMV, Zusatzverkehren der Kommunen, sowie Kostenerstattungen für den Schülerverkehr. Die Lücke wird vom Landkreis über die Gesellschafterumlage gefüllt, was den Kreishaushalt und damit die Kreisumlage stark belastet.
Ideen in der RTV für einen zukunftsfähigen ÖPNV im Kreisgebiet gibt es beispielsweise hinsichtlich der Ausweitung der On-Demand-Verkehre, damit Kleinbusse dann in den vielen Dörfern des Landkreises fahren, wenn Sie gebraucht werden. Allerdings bedeutet dies ein ganz anderes Grundlagenkonzept und löst insbesondere nicht die Frage des Schülerverkehrs, der 45 bis 50 Prozent der gesamten Fahrleistung der RTV ausmacht.
Arno Brandscheid erläutert: „Die Bedeutung von Bedarfsverkehren wird im Rheingau-Taunus-Kreis auch gemäß dem vorliegenden Entwurf des Nahverkehrsplans bis 2030 deutlich zunehmen. In Teilen des ländlichen Raums des Kreisgebietes werden Bedarfsverkehre auch einen Anteil der heutigen Linienverkehre übernehmen. Kleinbusse sind nicht nur flexibler, sie helfen auch beim Thema Fachkräftemangel, weil sie mit dem regulären Autoführerschein und einem Personenbeförderungsschein bedient werden dürfen. Dafür müssen aber die Linienverkehre, Rufbusse und ‚On-Demand Verkehre‘ sinnvoll verzahnt werden. Die Kleinbusse können viel einfacher elektrifiziert werden, weil sie größere Reichweiten bieten, statt Gelenkbusse mit Elektro-Antrieb.“
Der Entwurf des Nahverkehrsplans und die mittelfristig prognostizierte Entwicklung der maßgeblichen Faktoren wurden bisher neben den sogenannten Trägern öffentlicher Belange (TÖB), das sind beispielsweise Städte und Gemeinden, Interessensgruppen, Verkehrsunternehmen und das hessische Wirtschaftsministerium, auch allen Gremien des Rheingau-Taunus-Kreises vorgestellt. Die Rückmeldungen werden von der RTV bis Ende Februar gesammelt. Der Rheingau-Taunus-Kreis wird in Abstimmung mit der RTV dementsprechend im Frühjahr 2025 weiter zum Nahverkehrsplan und der Zukunft des ÖPNV im Rheingau-Taunus-Kreis informieren.