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Zwischen Gleichgültigkeit und Verantwortung

Über manche Mails muss man sich schon wundern, insbesondere über das Weltbild des einen oder anderen, der immer noch glaubt, man sollte der Aggression Putins mit Nicht-Beachtung oder mit Appeasement begegnen. Was passiert denn, wenn wir alle erneut wegschauen würden, wie damals in Tschetschenien, wie damals in Syrien, und wenn die Ukraine dann erobert ist? Glauben diese Menschen ernsthaft, Putin‘s Appetit wäre dann gestillt, und er würde ab dann plötzlich friedfertig? Dass er dann aufhört, andere Länder gewaltsam anzugreifen, dass er dann aufhört, seine Gegner in der ganzen Welt gezielt umzubringen? Dass bei uns keine Putin-Gegner mehr in Parks erschossen werden, oder mit Nowitschok vergiftet werden? Natürlich könnten wir den Kopf in den Sand stecken und hoffen, dass er überall sonstwo in der Welt Unheil anrichtet, bloß bei uns nicht. Dass die Hinrichtung unschuldiger Zivilisten, das massenhafte Zerbomben von Wohnhäusern möglichst nur in der Nachbarschaft geschehen möge, aber nicht bis zu uns heran rückt. Aber wie naiv kann man sein, zu glauben, dass wir dieses Glück hätten? Und wie verantwortungslos ist das gegenüber den Menschen, die gerade massenhaft sterben und ihre ganze Hoffnung in uns stecken, die wir die Kraft hätten, ihnen zu helfen, damit aber äußerst restriktiv und sparsam sind? Ich bin der festen Überzeugung, dass wir helfen müssen, und dass wir noch wesentlich mehr tun müssen. Nicht nur aus humanitären Gründen, um Putins militärische Aggression endlich zu stoppen und die Kriegsverbrechen zu beenden, sondern aus unserem ureigensten Sicherheitsinteresse. Die Ukraine verteidigt gerade unsere europäischen Werte gegen den Aggressor aus dem Osten, also Demokratie und freie Wahlen, freie Meinungsäußerung, das Völkerrecht insgesamt, und die große Errungenschaft des friedlichen Miteinanders der Völker. Wir müssen mehr tun! Wir errichten wöchentlich neue Sanktionen, aber bis Sanktionen Wirkung zeigen, vergehen Monate, manchmal Jahre, und wir schaden uns auch teilweise selbst damit. Die Sanktionen sind wichtig, aber sie werden den Krieg nicht beenden. Was die Ukraine jetzt braucht, um Putin zu stoppen, ist mehr als nur Helme, Nachtsichtgeräte und Strela-Raketen. Die Bundeswehr hat die Waffen nicht übrig, die die Ukraine so dringend braucht, sie ist noch nicht in der Lage etwas abzugeben. Angela Merkel hat der Bundeswehr nie eine Bedeutung beigemessen, und in dem Zustand befinden wir uns heute. Aber es gibt andere Möglichkeiten: Viele Unternehmen in Deutschland haben ausgemusterte gepanzerte Fahrzeuge im Hinterhof stehen, die man reparieren könnte, und die die Ukraine händeringend erbittet. Diese Unternehmen haben zu Kriegsbeginn Anfragen aus der Ukraine bekommen, man wolle die Instandsetzung beauftragen und die Fahrzeuge dann aufkaufen, und viele haben Export-Anträge an die Bundesregierung gestellt. Leider entscheidet hier nicht der Bundestag, sondern der Bundes-Sicherheitsrat in geheimen Sitzungen. Und diese Anträge sind bis heute allesamt nicht bearbeitet worden. Mancher hat Angst, wir könnten durch die Lieferung zur Kriegspartei werden; dies aber hat die Bundesregierung eindeutig geklärt. Den sogenannten ‚Kombattanten-Status‘ bekämen wir völkerrechtlich erst dann, wenn deutsche Soldaten oder deutsches Bedien- oder Wartungs-Personal auf dem Gebiet der Ukraine aktiv würde, was aber niemand beabsichtigt. Wir werden nicht riskieren, aktiver Teilnehmer dieses Krieges zu werden. Es gibt nun viele Bedenkenträger, die die Befürchtung haben, die Ukrainer könnten diese Fahrzeuge oder die Waffen nicht fahren oder bedienen. Selbst wenn das stimmen würde: Not macht erfinderisch, extreme Not erst recht. Die ukrainische Armee hat mit mehreren Arten von Panzern und Flugabwehr-Systemen Erfahrung, und die ausgemusterten Fahrzeuge stammen aus den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, sind also allesamt kein High-Tech-Material. Sie werden Wege finden, sich sehr schnell damit vertraut zu machen. Wie würde Europa heute aussehen, wenn uns vor 80 Jahren nicht andere Länder von der Nazi-Herrschaft befreit hätten? Wenn damals die Bedenkenträger in England oder den USA weiter beim Appeasement und dem Prinzip Hoffnung geblieben wären? Nicht auszudenken, wenn wir heute noch im dritten Reich leben würden. Es droht uns etwas ähnliches, wenn wir weiter dem Sterben, den Greueln und den Kriegsverbrechen im Osten zuschauen. Denn nach der Ukraine ist der nächste dran.