In Zeiten der Corona-Krise gehen die Niedernhausener Gremien neue Wege. Der Haupt- und Finanzausschuss (HFA) der Taunusgemeinde tagte jetzt auf Einladung des Vorsitzenden Heiko Wettengl per Videokonferenz. Zugeschaltet, um den Beratungen zu folgen, waren auch Bürgermeister Joachim Reimann, viele Gemeindevertreter sowie Vertreter der Verwaltung.
„Nachdem große Einigkeit zwischen den Fraktionen bestand, in diesen Wochen aus Sicherheitsgründen noch auf Präsenzsitzungen zu verzichten, war es mir wichtig, dennoch eine Diskussionsmöglichkeit von Angesicht zu Angesicht für die Mandatsträger möglich zu machen. Mit der heutigen Technik kein Problem“, erklärt Wettengl, wie es zu dieser ungewöhnlichen virtuellen Zusammenkunft kam. Vor der Sitzung hatten alle Teilnehmer zu vier Terminen Gelegenheit, die verwendete Internet-Plattform zu nutzen und Fragen zu stellen. Auch außerhalb dieser Zeitfenster stand Heiko Wettengl für Fragen zur Einwahl und Sicherstellung, dass die Technik auch funktioniert, zur Verfügung.
Entscheidungen wurden am Bildschirm nicht direkt getroffen. Diese Möglichkeit sieht die Hessische Gemeindeordnung nicht vor. Stattdessen gaben die HFA-Mitglieder ihre Stimmen bis gestern Abend im Umlaufverfahren ab, wie es während der Corona-Pandemie aufgrund einer Gesetzesänderung in Hessen möglich ist. Dem Ausschuss kommt aktuell eine besondere Bedeutung zu, da er für die Zeit, in der die Gemeindevertretung krisenbedingt nicht zusammentritt, quasi als Notparlament Entscheidungen anstelle der Gemeindevertretung treffen kann.
Im Wesentlichen wurden drei große Themen behandelt. Bürgermeister Joachim Reimann berichtete ausführlich über die aktuelle Lage Niedernhausens während der Corona-Zeit. Dabei ging er auch ausführlich auf die finanziellen Auswirkungen ein. „Die wichtigste Information für politische Entscheidungsträger und die Bürgerinnen und Bürger in Niedernhausen ist, dass die Gemeinde aktuell trotz sich abzeichnender massiver Einbrüche auf der Einnahmenseite keinerlei Liquiditätsschwierigkeiten hat“, so der Rathauschef. Zum 30. April verfügte die Gemeindekasse über 1,9 Millionen Euro liquide Mittel und musste bislang keinerlei Kassenkredite aufnehmen, was bis zu einer Höhe von 3 Millionen Euro gemäß Haushalt möglich wäre.
Reimann betonte, dass sich nun die solide Haushaltspolitik der vergangenen Jahre auszahle, mit der eine Rücklage von über zwei Millionen Euro erreicht werden konnte, die nun zur Verfügung steht. Dennoch spüre auch die Gemeinde bereits jetzt die Auswirkungen der Krise: So hätten fast ein Viertel der örtlichen Gewerbesteuerzahler Anträge auf Steuerherabsetzungen gestellt. Die Gewerbesteuereinnahmen gingen deutlich zurück. Erste vorsichtige Prognosen über die genauen Auswirkungen des Lockdowns könnte man von der erwarteten Steuerschätzung im Mai erwarten. Ein verlässliches Bild werde aber wohl erst die Herbst-Steuerschätzung bringen. Bürgermeister Reimann rief dazu auf, die Mittel der Gemeinde in diesen Zeiten zu nutzen, um die Wirtschaft zu stärken.
Ein weiterer Schwerpunkt der Beratungen waren die Verhandlungen zwischen Gemeinde und dem Landesbetrieb Hessen Mobil. Das Land Hessen muss die Brücke über die Bahnschienen in der Wiesbadener Straße altersbedingt durch einen Neubau ersetzen. Die Zeit drängt, denn wenn die Planungen nicht schnell voranschreiten, droht eine längere Sperre der Brücke und damit mehrjährige negative Auswirkungen für den Straßenverkehr in Niedernhausen. Daher streben Hessen Mobil und Gemeinde an, ein langwieriges Planfeststellungsverfahren zu vermeiden. Nachdem Hessen Mobil nun auf Forderungen der Gemeinde reagiert hatte, fragte Bürgermeister Joachim Reimann die Haltung der Fraktionen zu den Überlegungen des Landes ab.
Schließlich wurde die endgültige Entscheidung über den Bebauungsplan „Gewerbegebiet an der L 3026“ vorbesprochen, mit dem der Umzug und Ausbau eines lokalen Unternehmens ermöglicht wird.
Nach gut einer Stunde konzentrierter und disziplinierter Diskussion endete die virtuelle Premiere. Der Vorsitzende Heiko Wettengl bedankte sich bei allen Teilnehmern für die konstruktive Mitarbeit. „Im Rahmen der allgemeinen Lockerungen der Pandemiebeschränkungen gehe ich davon aus, dass wir zukünftig wieder zu öffentlichen Präsenzsitzungen zurückkehren können. Auch wäre es aus demokratischen Gründen wichtig, bald wieder die Gemeindevertretung als Plenum einberufen zu können. Aber es ist gut, dass wir diese innovative Möglichkeit der Diskussion auch für politische Beratungen erprobt haben und notfalls darauf zurückgreifen können“, so Wettengl.