Wie sich ein Handwerksbetrieb für die Zukunft gut aufstellen kann
Präsentation des Jahrbuches 2023 des Rheingau-Taunus-Kreises / Das Handwerk steht im Mittelpunkt / Vielfalt und Stärke
Nachfolgeregelungen, Lohnentwicklung im Handwerk in den kommenden Jahren und Erstellung einer Wort-Bild-Marke, Konzentrationsprozess in der Branche und Energiekosten-Steigerung – Aspekte, auf die Martin Dries, Geschäftsführer und Gesellschafter der Backhaus Dries GmbH in seinem informativen, mit interessanten Details gespickten Vortrag im Rahmen der Präsentation des Jahrbuches 2023 des Rheingau-Taunus-Kreises mit dem Schwerpunkt „Handwerk – Vielfalt und Stärke“ einging. Dabei zeigte sich der Gesellschafter wieder einmal als kreativer und kompetenter Vordenker der Branche, der aus der alltäglichen Praxis berichtet und der deshalb auf viele der aktuellen Fragen schon lange passende, innovative Antworten und Lösungen gefunden hat.
„Wir sind als Unternehmen gut aufgestellt“, bekennt er mit Blick auf die Zukunft des Backhauses mit den zirka 300 Mitarbeitenden und stellt klar, dass wegen der aktuellen politischen Weltlage keine Zeit zum Klagen ist: „Es ist nun wohl überlegtes Handeln gefordert“. Denn gerade auch das Handwerk insgesamt stehe vor großen Herausforderungen, auf die Martin Dries – aus der Sicht eines Insiders – in seinem spannenden Vortrag einging.
Das Backhaus, das Tradition und Innovation verbindet, und in der vierten Generation besteht, hat die Nachfolge der beiden Geschäftsführer Stefan und Martin Dries bereits früh geregelt. Man müsse sich von dem bisher vorherrschenden und über Jahrhunderte geltenden Gedanken verabschieden, dass „der Vater Handwerker ist und automatisch die Kinder den Handwerksbetrieb weiterführen“. Deshalb stellten sich die Dries-Brüder die Frage: „Wer hat Lust den Betrieb in die nächsten Jahrzehnte zu führen?“ Die eigenen Kinder sind es nicht, verrät Dries, „die zwar an dem Betrieb interessiert sind, aber doch andere berufliche Ziele verfolgen“. Dries suchte deshalb frühzeitig nach passenden Nachfolgern: „Diese sind gefunden, werden eingearbeitet und können die Leitung übernehmen, wenn sich mein Bruder und ich zur Ruhe setzen.“ So könnten Nachfolgeregelungen auch in anderen Betrieben ausschauen.
Nachfolger, die sich auf einen dynamischen Prozess in diesem Berufsstand – wie im gesamten Handwerk – einrichten müssen. Die Zahl der kleinen Bäckerei-Betriebe nimmt ständig ab (von etwa 14.000 vor zehn Jahren auf 10.000 aktuell bei einer unveränderten Zahl an Filialen und Verkaufsstellen). Dafür gibt es immer größere Einheiten in der Branche. Zudem verändern sich die Arbeitsabläufe eines Handwerkers laut Dries, der betont: „Ein Handwerker ist jemand der gut mit seinen Händen arbeiten kann, der intelligent ist und sein Metier versteht. Der Koch, der Schreiner, der Bäcker ist fachlich top“. Heutzutage müsse er aber auch noch viele artfremde Tätigkeiten übernehmen und möglichst noch ein hervorragender Verwalter, ein „financial Controller“, sein und so „mutiert der Besitzer des Betriebes vom sehr guten Handwerker zum schlechten Kaufmann“.
Um in der heutigen Zeit diese multifunktionalen Aufgaben – von den handwerklichen Fähigkeiten bis zur wirtschaftlichen Betriebsführung – erfolgreich angehen zu können, bedürfe es daher einer breit aufgestellten Geschäftsleitung. „Holen Sie sich einen ‚Hybrid-Kompagnon‘ in den Betrieb, der das Organisatorische und Verwaltungstechnische übernimmt“, sagt Martin Dries und weiter: „Diese Vorgehensweise ist sinnvoll. Ich kann sie kleinen Betrieben nur raten, damit sie ihre Existenz dauerhaft sichern können.“
Gleichzeitig empfiehlt Dries den Handwerksbetrieben die Entwicklung eines unverwechselbaren Wort- Marken-Kerns. Das Logo des Backhauses Dries sei mittlerweile in der Region bekannt und fest verankert. Es steht für die Qualität der Produkte, und dafür, dass „wir unser Handwerk verstehen, und wir es besser machen“. Doch diese Qualität hat auch ihren Preis, so Dries und daraus ergibt sich für ihn die Frage, ob das Handwerk noch Zukunft hat. Schließlich haben qualitativ hochwertige Produkte auch ihren Preis, sind teurer. Doch setzt sich Qualität beim Verbraucher durch? Weiß er zu schätzen, dass das Brot tagesfrisch produziert wird und es „von Hand gewirkt“ wird?
„Wir als Fachbetriebe stehen in einem immer stärken Konkurrenzverhältnis zur industriellen Produktion von Backwaren“, sagt Dries. Schon heute kauften etwa 40 Prozent der Kunden im Bäckerei-Fachbetrieb und aber 60 Prozent bei industriellen Großbäckereien, die die Produkte wegen des maschinellen Einsatzes zu niedrigeren Preisen anbieten können. „Wir müssen abwarten, ob der Kunde bereit ist, höhere Preise für hohe Qualität zu zahlen“, betont Martin Dries. Schließlich wollten auch die Mitarbeitenden im Backhandwerk einen gerechten Lohn für ihre qualitativ hochwertige Arbeit. Letztlich zeigt sich Martin Dies optimistisch und weiß um die Bedeutung des Handwerkes für die Region: „Das Handwerk ist für die Region extrem wichtig, extrem nachhaltig und extrem schön!“
Diese Aussage griff Landrat Frank Kilian auf: „Martin Dries hat uns eindrucksvoll erläutert, wie es gelingen kann, ein Traditionsunternehmen in die Moderne zu führen.“ Seine Ausführungen, aber auch die Beiträge im Jahrbuch 2023 unterstrichen nachdrücklich, die Bedeutung des Handwerks, dessen Vielfalt. Kilian: „Das Handwerk kann mit interessanten, ganz differenzierten Tätigkeitsfeldern aufwarten. Davon wird im Schwerpunktthema des neuen Jahrbuches 2023 des Rheingau-Taunus-Kreises auf 70 Seiten berichtet.“ Das Handwerk steht momentan wirtschaftlich noch auf relativ sicheren Füßen und hat gut gefüllte Auftragsbücher. Aber auch im Rheingau-Taunus-Kreis leidet der Wirtschaftszweig unter dem Mangel an Fachkräften.
Noch gibt es im Kreisgebiet Berufe mit einer jahrhundertealten Tradition. Es bietet aber auch innovative Berufe und Ausbildungsstellen, bei denen Tradition und moderne Techniken bestens miteinander vereint werden und deshalb vor allem für die junge Generation attraktiv und lukrativ sein können.
So betonte Landrat Frank Kilian bei der Präsentation: „Die Redaktionskonferenz des Jahrbuches hat sich der Aufgabe gestellt, die Stärken unseres Handwerks hervorzuheben und den Leserinnen und Lesern das Besondere dieser Berufe ans Herz zu legen, damit dem Handwerk der Nachwuchs nicht ausgeht. Denn eines ist sicher: Wir brauchen das Handwerk und seine Menschen für unser tägliches Leben und für den Fortbestand unserer Infrastruktur.“
Der allgemeine Teil des Jahrbuches, der von Dr. Rolf Faber vorgestellt wurde, enthält unter anderem Artikel zum „Riesencodex“ der Hildegard von Bingen, der Geschichte der Idsteiner Familie Löwenstein sowie dem Zusammenbruch der deutschen Währung vor 100 Jahren. Über gleich zwei 175-jährige Jubiläen wird berichtet, nämlich von den Gründungsjubiläen der Hochschule Fresenius und des ersten Turnvereins in Geisenheim. Aber auch die Aktualität hat ihren Platz im neuen Jahrbuch mit den Artikeln über die Planungen zur BUGA 2029 und den Ausbau des Wanderwegenetzes mit Premiumqualität im Aartal. Die Chroniken der 17 Städte und Gemeinden des Rheingau-Taunus-Kreises runden das Leseangebot ab.
Die Präsentation des Jahrbuches wurde vom Streicher-Ensemble „STRINGendo“ der Musikschule Hünstetten / Taunusstein musikalisch umrahmt.
Das Jahrbuch kann ab sofort in Buchhandlungen, bei Städten und Gemeinden sowie in der Kreisverwaltung Bad Schwalbach zum Preis von 8,50 Euro erworben werden.